Faszien: mehr als nur „Verpackungsmaterial“

Faszien gelten nicht mehr nur als „Verpackungsmaterial“. Im Rahmen der rasanten Faszienforschung haben sich die Forscher besonders die Zusammensetzung des Fasziengewebes und seine Verbindungen zum Rest des Körpers angeschaut. Dabei haben sie einige interessante Entdeckungen gemacht: von der Fähigkeit der Faszien, sich aktiv anzuspannen bis hin zu ihren Verbindungen zu unseren Emotionen und der Psyche.

Faszien früher und heute

Früher wurden die Faszien in der Schulmedizin eher vernachlässigt und als reine „Verpackung“ von Organen, Muskeln, Sehnen, Knochen etc. betrachtet. In der anatomischen Resektion störten sie bei der Arbeit und versperrten den Blick auf die wichtigeren Dinge – Konsequenz: „kann weg“. Auch wenn inzwischen klar ist, dass Faszien viel mehr sind als nur eine „Verpackung“, möchte ich das Bild an dieser Stelle nutzen, um dir das Fasziensystem näher zu bringen.

Faszien gehören zum Bindegewebe unseres Körpers. 

Hast du schon mal ein Stück Fleisch in der Hand gehabt, wo diese dünne, faserige Haut drauf war? DAS ist eine Faszie. 

Stell dir jetzt mal deine Einkauftasche vor, nachdem du im Supermarkt warst:

Da ist die große Tasche, wo alles andere drin ist.

Du packst sie nach und nach aus und findest einen Sack mit vielen einzelnen Möhren drin.

Dann ist da noch eine Packung, die mehrere Kochbeutel mit Reis enthält. 

Als nächstes packst du eine Packung mit 4 Bechern Joghurt aus. 

Zu guter Letzt hast du für den Kindergeburtstag auch noch eine große Tüte Haribo gekauft, die wiederum viele dieser kleinen Tüten enthält. 

Jede der einzelnen Umverpackungen entspricht einer Faszienhülle. 

Die kleineren Elemente (Möhren, Joghurt, Reiskörner, Gummibärchen) werden ebenfalls für sich genommen umhüllt – die nächste Faszienschicht. 

Speziell bei Gemüse und Obst können wir dann noch kleiner werden: 

Schneidest du z.B. die Möhre auf, siehst du, dass der Kern eine andere Struktur hat als die äußere Schicht. 

Faszien können noch viel mehr als nur verpacken.

Wie oben schon angedeutet, ist inzwischen nachgewiesen, dass Faszien noch viel mehr können, als nur verschiedene Gewebe voneinander abzugrenzen. 

  • Sie können sich aktiv anspannen und entspannen
  • Sie sind eng mit dem vegetativen Nervensystem verbunden 
  • Sie gelten als emotionaler Speicher
  • Sie stützen den Körper und verbinden Muskeln und entferntere Körperregionen miteinander
  • Sie enthalten viele Nervenenden, die der Körper- und Schmerzwahrnehmung dienen

Aktive Faszien

Früher ging man davon aus, dass Faszien reines Bindegewebe sind, ohne eigene Anspannungsfähigkeit. Inzwischen weiß man aber: weit gefehlt!

Die Faszien beinhalten sogenannte „Myofibroblasten“. Diese Gewebezellen finden wir sonst z.B. auch bei der Wundheilung – sie sind durch ihre kontraktilen (anspannungsfähige) Elemente dazu da, die Wundränder langsam zueinander zu ziehen, damit die Wunde heilen kann. 

Was bedeutet das Vorkommen dieser Zellen jetzt für unsere Faszien? Sofern keine offene Wunde vorhanden ist, brauchen wir sie dort doch nicht, oder? 

Die Myofibroblasten sorgen dafür, dass sich Faszien aktiv anspannen können. Diese Spannung baut sich allerdings nicht so schnell auf, wie wir das von Muskeln kennen. Die Faszienspannung ist eher eine langsame Zeitgenossin.

Die enge Verbindung der Faszien zu unserem vegetativen Nervensystem

Die zweite wirklich interessante Entdeckung – neben den Myofibroblasten – war, dass in den Faszien besonders viele freie Nervenendigungen des vegetativen Nervensystems, insbesondere des Sympathikus, zu finden sind. 

Das vegetative Nervensystem ist für alle unbewussten bzw. automatischen Abläufe im Körper zuständig (Verdauung, Herz- und Lungenaktivität, Sexualfunktion, Hormonproduktion etc. pp.). 

Dabei sind zwei Systeme im Spiel: 

  1. Sympathikus – versetzt uns in Aktion und „Stress“ („Fluchtreaktion“).
  2. Parasympathikus – regelt Entspannung und Regeneration.

Das vegetative Nervensystem, unsere Emotionen und die Faszien

Unsere Emotionen entstehen durch einen Hormoncocktail. Er wird im Hirn gemixt, in den Körper ausgeschüttet und löst dann dort eine spezifische Reaktion aus.

Das geschieht meist so schnell, dass wir im ersten Moment nicht so richtig etwas davon mitbekommen – wir befinden uns auf unbewusster Ebene: im vegetativen Nervensystem.  

Wenn nun das Fasziengewebe mit seinen konktraktilen Anteilen vor allem auf Signale des Sympathikus reagiert, dann bedeutet dies, dass vor besonders aktivierende Emotionen die Faszien unter Spannung setzen

Diese aktivierenden Emotionen können gut sein, wie z.B. 

  • Freude
  • Aktivität im Sinne von Bewegung und Sport

Sie können aber auch negativen Ursprungs sein: 

  • Stress
  • Trauer
  • Körperliche Verletzungen (traumatisch aber auch z.B. durch ZU VIEL Sport)

Wenn wir also anspannende Gefühle (ob nun gut oder schlecht) erleben, reagiert das Fasziensystem ebenfalls mit Spannung. 

Die Struktur der Faszien „erlaubt“, dass sich bei anhaltender Spannung Verklebungen und Knötchen bilden. Diese Regionen büßen Elastizität und Beweglichkeit ein und schicken dadurch Fehl- und Schmerzinformationen ans Gehirn – ähnlich zu Triggerpunkten, die sich in der Muskulatur finden lassen. 

Durch diesen Umstand gelten die Faszien besonders in der alternativen Medizin als emotionale Speicher – sie „speichern“ Emotionen über längere Zeit in Form von Spannung im Gewebe. 

Gedanken aus der Praxis

Ich erinnere mich noch an mein Studium, als wir Faszien-, Bindegewebs- und Muskeltechniken gelernt haben. Unsere Dozentin wies uns immer wieder darauf hin, dass wir diese Techniken mit Vorsicht einsetzen sollten, da es bei einigen Menschen immer wieder zu emotionalen Reaktionen kommt. 

Ich habe das nicht so recht geglaubt, bis es mir selbst passierte. Eine Handvoll PatientInnen fing bisher schon während der Behandlung an zu weinen, da sich irgendetwas löste. Die PatientInnen waren aufgrund der starken Emotionen immer sehr irritiert, da sie keinen konkreten Grund ausmachen konnten.

Andere berichteten mir im Folgetermin, dass sie sich nach der letzten Behandlung anders fühlten – emotional. Manchmal ging es ihnen direkt nach der Behandlung nicht gut, sie waren niedergeschlagen und traurig – ohne direkten Grund. Nach 1-2 Tagen fühlten sie sich aber deutlich leichter und freier. 

Durch diese Fälle habe ich angefangen, meiner Dozentin zu glauben und die Theorie „Faszien als emotionales Organ“ aktiv in meine Arbeit einzubeziehen. Ich habe festgestellt, dass verspannte und verklebte Faszien eine andere Behandlung brauchen als z.B. verspannte Muskeln. Viele chronische Verspannungsschmerzen haben, meiner Erfahrung nach, ihre Ursache eher im Fasziensystem – und damit vielleicht u.a. auf emotionaler Ebene? 

Im deutschen Sprachraum gibt es sogar Sprichwörter, die eine Verbindung herstellen. Konkret fallen mir da ein: 

„Er/Sie trägt die ganze Last auf seinen/ihren Schultern“➤ Druck erzeugt Verspannungen im Schultergürtel!?
„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ ➤ Die Leber gilt als Reinigungsorgan. Sie baut u.a. Medikamente und andere Stoffwechselendprodukte ab. In der Osteopathie wird sie auf emotionaler Ebene mit der Wut verknüpft. Sie ist von einer Faszienhülle umgeben, die spürbar mit Spannung reagieren kann, wenn die Leber „viel zu tun“ hat. 

Tue aktiv etwas für deine Fasziengesundheit

Spüre mal in dich hinein: Wie fühlst du dich heute? Wo spürst du Spannungen?

Faszien lieben langsame, große, „dehnende“ Bewegungen. Geeignet sind hier besonders Sportarten wie z.B. Yoga oder QiGong in denen man fließend von der einen in die andere Position gleitet und die Gelenke im vollen Umfang nutzt. Aber auch das gute alte Räkeln in alle Richtungen kann eine gute Alternative sein.

Bist du eher der „schnellere“ Typ: Versuchs mal mit Ausschütteln des ganzen Körpers – am besten zu deinem Lieblingslied?


Quellen und weiterführende Informationen:

https://www.fasciaresearch.de/publications/clinicans

Schleip, R., & Bartsch, K. (2023). Faszien als sensorisches und emotionales Organ: Emotionen, Faszien und Immunsystem. Osteopathische Medizin(Volume 24, Issue 2), S. 28-32.

Otmar, D. (kein Datum). Naturheilbund.de. Abgerufen am August 2025 von https://www.naturheilbund.de/faszien-die-faszinierende-verbindung-zwischen-emotion-koerper-und-gesundheit/

Megbel, E. (kein Datum). Faszien – Sensibles Geflecht. Gehirn & Geist(10/2023), S. 68ff.

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